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Freitag, 19. Dezember 2014

4. Akt vierte Szene Kabale und Liebe

Personen

  • Ferdinand

Inhalt 

In diesem Monolog betont Ferdinand wieder sein Leid. Er klagt darüber, dass er betrogen wurde durch Luise. Dennoch sieht er noch eine innige Verbundenheit zwischen ihm und Luise, er spricht von einer ewigen Vermählung zwischen ihnen. Er ist der Meinung, dass das Mädchen doch "sein" sei und zu ihm gehört. 

Interpretation


Er wiederholt seinen Besitzanspruch an Luise indem er zwei Mal betont, dass das Mädchen sein sei. Sein eigenes Verderben ( er denkt er sei verloren ) übertägt sich auch auf Luise, die dann ebenfalls verloren sei. In seiner Not wendet sich Ferdinand immer wieder an Gott ( Gott! Gott! ) und geht auch mit diesem ins Gericht (  Sollte der reiche vermögende Schöpfer mit einer Seele geizen, die noch dazu die schlechteste seiner Schöpfung ist?). Er verwendet Gott und Teufel außerdem als Metapher indem er betont erst ihr Gott gewesen zu sein und schließlich ihr Teufel. 

VIERTE SZENE

Ferdinand nach einem langen Stillschweigen, worin seine Züge einen schrecklichen Gedanken entwickeln.
FERDINAND: Verloren! ja, Unglückselige! – Ich bin es. Du bist es auch. Ja, bei dem großen Gott! Wenn ich verloren bin, bist du es auch! Richter der Welt! Fordre sie mir nicht ab. Das Mädchen ist mein. Ich trat dir deine ganze Welt für das Mädchen ab, habe Verzicht getan auf deine ganze herrliche Schöpfung. Lass mir das Mädchen. – Richter der Welt! Dort winseln Millionen Seelen nach dir – Dorthin kehre das Aug deines Erbarmens – Mich lass allein machen, Richter der Welt! (Indem er schrecklich die Hände faltet.) Sollte der reiche vermögende Schöpfer mit einer Seele geizen, die noch dazu die schlechteste seiner Schöpfung ist? – Das Mädchen ist mein! Ich einst ihr Gott, jetzt ihr Teufel!
(Die Augen grass in einen Winkel geworfen.)
Eine Ewigkeit mit ihr auf ein Rad der Verdammnis geflochten – Augen in Augen wurzelnd – Haare zu Berge stehend gegen Haare – auch unser hohles Wimmern in eins geschmolzen – Und jetzt zu wiederholen meine Zärtlichkeiten, und jetzt ihr vorzusingen ihre Schwüre – Gott! Gott! – Die Vermählung ist fürchterlich – aber ewig! (Er will schnell hinaus. Der Präsident tritt herein.) [63]

Donnerstag, 18. Dezember 2014

4. Akt fünfte Szene

Personen

  • Ferdinand 
  • Präsident

Inhalt 
Ferdinand führt ein Gespräch mit seinem Vater in dem es um Luise geht. Er ist inzwischen der Meinung, dass sein Vater damals Recht hatte und nennt Luise "diese Millerin". Der Präsident ist sehr freundlich und scheint sich väterlich um seinen aufgebrachten Sohn zu sorgen. Er widerruft seinen "übereilten Verdacht" gegen Luise, die er ein edles und liebes Mädchen nennt. Durch diese Güte gelingt es dem Präsidenten Ferdinand im Glauben zu lassen, dass er es gut mit ihm und Luise meint und dessen Argwohn zu vermehren. 

Interpretation


In diesem Abschnitt sieht man deutlich wie Ferdinands Vater, der Präsident, mit den Gefühlen von Ferdinand umgeht. Er ist sich darüber im Klaren, dass sein Plan aufgegangen ist und will nun seinen Sohn endgültig von Luise trennen. Wer weiß, dass ihm dies am Besten gelingt, wenn er Güte und Liebenswürdigkeit vortäuscht. 





FÜNFTE SZENE

Der Präsident und Ferdinand.
FERDINAND (zurücktretend): Oh! – mein Vater!
PRÄSIDENT: Sehr gut, dass wir uns finden, mein Sohn. Ich komme, dir etwas Angenehmes zu verkündigen und etwas, lieber Sohn, das dich ganz gewiss überraschen wird. Wollen wir uns setzen?
FERDINAND (sieht ihn lange Zeit starr an): Mein Vater! (Mit stärkerer Bewegung zu ihm gehend und seine Hand fassend.) Mein Vater! (Seine Hand küssend, vor ihm niederfallend.) O mein Vater!
PRÄSIDENT: Was ist dir, mein Sohn? Steh auf. Deine Hand brennt und zittert.
FERDINAND (mit wilder feuriger Empfindung): Verzeihung für meinen Undank, mein Vater! Ich bin ein verworfener Mensch. Ich habe Ihre Güte misskannt. Sie meinten es mit mir so väterlich – Oh! Sie hatten eine weissagende Seele – Jetzt ist’s zu spät – Verzeihung! Verzeihung! Ihren Segen, mein Vater!
PRÄSIDENT (heuchelt eine schuldlose Miene): Steh auf, mein Sohn! Besinne dich, dass du mir Rätsel sprichst.
FERDINAND: Diese Millerin, mein Vater – Oh, Sie kennen den Menschen – Ihre Wut war damals so gerecht, so edel, so väterlich warm – Nur verfehlte der warme Vatereifer des Weges – diese Millerin!
PRÄSIDENT: Martre mich nicht, mein Sohn. Ich verfluche meine Härte! Ich bin gekommen, dir abzubitten.
FERDINAND: Abbitten an mir? Verfluchen an mir! – Ihre Missbilligung war Weisheit. Ihre Härte war himmlisches Mitleid – – Diese Millerin, Vater –
PRÄSIDENT: Ist ein edles, ein liebes Mädchen. – Ich widerrufe meinen übereilten Verdacht. Sie hat meine Achtung erworben.
FERDINAND (springt erschüttert auf): Was? auch Sie? – Vater! auch Sie? – Und nicht wahr, mein Vater, ein Geschöpf wie die Unschuld? – und es ist so menschlich, dieses Mädchen zu lieben?
PRÄSIDENT: Sage so: es ist Verbrechen, es nicht zu lieben.
FERDINAND: Unerhört! Ungeheuer! – Und Sie schauen ja doch sonst die Herzen so durch! Sahen sie noch dazu mit Augen des Hasses! – Heuchelei ohne Beispiel – Diese Millerin, Vater – 
PRÄSIDENT: Ist es wert, meine Tochter zu sein. Ich rechne ihre Tugend für Ahnen und ihre Schönheit für Gold. Meine Grundsätze weichen deiner Liebe – Sie sei dein!
FERDINAND (stürzt fürchterlich aus dem Zimmer): Das fehlte noch! – Leben Sie wohl, mein Vater. (Ab.)
PRÄSIDENT (ihm nachgehend): Bleib! Bleib! Wohin stürmst du? (Ab.)

Mittwoch, 17. Dezember 2014

4. Akt sechste Szene

Personen

  • Lady
  • Sophie
  • Kammerdiener
Inhalt 

Die Lady spricht mit ihrer Bediensten Sophie. Diese hat Luise Miller die Einladung der Lady überbracht. Die Lady ist erstaunt, dass Luise nicht zurück geschreckt hat, als sie die Einladung der Lady bekam. Lady Milford empfängt Sophie in einem sehr prächtigen Saal.

Interpretation


Sophie ist zwar ein einfaches Mädchen, aber sie erkennt sehr wohl, dass ihre Herrin Lady Milford durch den Besuch von Luise sehr aus der Fassung gebracht wird. Sie merkt, dass die Lady sich besonders herausgeputzt hat und prächtige Brillianten trägt, um ihre Unsicherheit zu verbergen. Sie fordert die unsichere Lady auf sich an ihre hohe Herkunft zu erinnern und sich nicht davon verunsichern zu lassen. Lady Milford ist es sehr unangenehm, dass eine Frau von so niedrigem Stand sie durchschaut hat. 

SECHSTE SZENE

Ein sehr prächtiger Saal bei der Lady.
Lady und Sophie treten herein.
LADY: Also sahst du sie? Wird sie kommen?
SOPHIE: Diesen Augenblick. Sie war noch im Hausgewand und wollte sich nur in der Geschwindigkeit umkleiden.
LADY: Sage mir nichts von ihr – Stille – wie eine Verbrecherin zittre ich, die Glückliche zu sehen, die mit meinem Herzen so schrecklich harmonisch fühlt – Und wie nahm sie sich bei der Einladung?
SOPHIE: Sie schien bestürzt, wurde nachdenkend, sah mich mit großen Augen an und schwieg. Ich hatte mich schon auf ihre Ausflüchte vorbereitet, als sie mit einem Blick, der mich ganz überraschte, zur Antwort gab: Ihre Dame befiehlt mir, was ich mir morgen erbitten wollte.
LADY (sehr unruhig): Lass mich, Sophie. Beklage mich. Ich muss erröten, wenn sie nur das gewöhnliche Weib ist, und, wenn sie mehr ist, verzagen.
SOPHIE: Aber, Mylady – Das ist die Laune nicht, eine Nebenbuhlerin zu empfangen. Erinnern Sie sich, wer Sie sind. Rufen Sie Ihre Geburt, Ihren Rang, Ihre Macht zu Hilfe. Ein stolzeres Herz muss die stolze Pracht Ihres Anblicks erheben.
LADY (zerstreut): Was schwatzt die Närrin da?
SOPHIE (boshaft): Oder ist es vielleicht Zufall, dass eben heute die kostbarsten Brillanten an Ihnen blitzen? Zufall, dass eben heute der reichste Stoff Sie bekleiden muss – dass Ihre Antichamber von Heiducken und Pagen wimmelt und das Bürgermädchen im fürstlichen Saal Ihres Palastes erwartet wird?
LADY (auf und ab voll Erbitterung): Verwünscht! Unerträglich! Dass Weiber für Weiberschwächen solche Luchsaugen haben! [65] – – Aber wie tief, wie tief muss ich schon gesunken sein, dass eine solche Kreatur mich ergründet!
EIN KAMMERDIENER (tritt auf): Mamsell Millerin –
LADY (zu Sophien): Hinweg, du! Entferne dich! (Drohend, da diese noch zaudert.) Hinweg! Ich befehl es! (Sophie geht ab, Lady macht einen Gang durch den Saal.) Gut! Recht gut, dass ich in Wallung kam. Ich bin, wie ich wünschte. (Zum Kammerdiener.) Die Mamsell mag hereintreten. (Kammerdiener geht. Sie wirft sich in den Sofa und nimmt eine vornehm-nachlässige Lage an.)

Dienstag, 16. Dezember 2014

4. Akt siebte Szene

Personen

  • Luise
  • Lady Milford

Inhalt 

Lady Milford und Luise treffen aufeinander. Nach dem Grund ihres Erscheinens gefragt offenbart die Lady, dass sie Luise eine Stelle bei sich am Hof anbieten will, da ihre Zofe Sophie heiratet. Luise und die Lady kommen schließlich auf das Thema Liebe zu sprechen. Die Lady gibt Luise zu verstehen, dass sie sie als nativ empfindet und das die erste Liebe immer nur etwas flüchtiges ist. Außerdem führt sie Luise vor Augen, dass Mädchen in ihrem Alter immer Schwärmereien von Männern bekommen, die ihnen ihre Schönheit erzählen.
Luise lässt sich nicht belehren und führt ihr vor Augen das sie als bürgerliche Unschuld eine moralische Überlegenheit an den Tag legt.
Sie sprechen schließlich über Ferdinand und stellen fest, dass ihre Liebe zu diesem Mann die beiden Frauen verbindet. Lady Milford bittet Luise ihn heiraten zu können, diese fordert Lady Milford auf die Selbstmörderin ( also sich  ) bei der Hochzeit nicht zu vergessen. Mit der Ankündigung des Selbstmordes stürzt Luise hinaus. 

 

Interpretation


Nun prallen nicht nur die beiden Nebenbühlerinnen aufeinander, sondern auch zwei gesellschaftliche Schichten. Luise als Vertreterin des Bürgertums tritt der adeligen Lady Milford entgegen. Zunächst kommt die bürgerliche arme Geigerstochter, wie die reiche Lady sie nennt, in den prächtigen Saal und scheint in einer untergebenen Lage zu sein. Jedoch zeigt Luise schnell ihre moralische Überlegenheit und hält den Angriffen der Adeligen stand.
Das Angebot für die Lady Milford zu arbeiten lehnt Luise ab und entwickelt sich damit von der Bittstellerin zur überlegenen stolzen Frau.
Sie bleibt während des Gesprächs ehrfürchtig, gelassen und edel, während die Lady Milford immer emotionaler und unsicherer wird.

Vereint sind die beiden Damen im Widerstreit um den begehrten Ferdinand, denn beide lieben den Präsidentensohn sehr. Jedoch lässt die Adelige keinen Zweifel an ihrer Machtposition und Luise ist sich der auch bewusst, obwohl sie moralisch überlegen und rhetorisch mindestens gleichrangig ist. Schließlich lässt Luise die Lady mit ihrem Liebhaber ziehen, jedoch nicht ohne ihr eine moralische Schuld zuzuschieben: Sie kündigt ihren Suizid an und macht deutlich, dass dieser nur auf die Situation zurück zu führen ist und das die Lady somit Schuld an ihrem Tod ist. Dies macht Luise wiederum überlegen.


Die Überlegenheit Luises wird auch so deutlich, indem die Lady Luise um die Heirat mit Ferdinand bittet. Diese Bitte hätte sie vom Ausmaß ihrer Macht her gesehen nicht nötig.

SIEBENTE SZENE

Luise Millerin tritt schüchtern herein und bleibt in einer großen Entfernung von der Lady stehen; Lady hat ihr den Rücken zugewandt und betrachtet sie eine Zeit lang aufmerksam in dem gegenüberstehenden Spiegel.
(Nach einer Pause.)

LUISE: Gnädige Frau, ich erwarte Ihre Befehle.
LADY (dreht sich nach Luisen um und nickt nur eben mit dem Kopf, fremd und zurückgezogen): Aha! Ist Sie hier? – Ohne Zweifel die Mamsell – eine gewisse – Wie nennt man Sie doch?
LUISE (etwas empfindlich): Miller nennt sich mein Vater, und Ihro Gnaden schickten nach seiner Tochter.
LADY: Recht! Recht! Ich entsinne mich – die arme Geigerstochter, wovon neulich die Rede war. (Nach einer Pause vor sich.) Sehr interessant, und doch keine Schönheit – (Laut zu Luisen.) Trete Sie näher, mein Kind. (Wieder vor sich.) Augen, die sich im Weinen übten – Wie lieb ich sie, diese Augen! (Wiederum laut.) Nur näher – Nur ganz nah – Gutes Kind, ich glaube, du fürchtest mich?
LUISE (groß, mit entschiednem Ton): Nein, Mylady. Ich verachte das Urteil der Menge.
LADY (vor sich): Sieh doch! – und diesen Trotzkopf hat sie von ihm. (Laut.) Man hat Sie mir empfohlen, Mamsell. Sie soll was gelernt haben und sonst auch zu leben wissen – Nun ja. Ich will’s glauben – auch nähm ich die ganze Welt nicht, einen so warmen Fürsprecher Lügen zu strafen.
LUISE: Doch kenn ich niemand, Mylady, der sich Mühe gäbe, mir eine Patronin zu suchen. [66]
LADY (geschraubt): Mühe um die Klientin oder Patronin?
LUISE: Das ist mir zu hoch, gnädige Frau.
LADY: Mehr Schelmerei, als diese offene Bildung vermuten lässt! Luise nennt sie sich? Und wie jung, wenn man fragen darf?
LUISE: Sechzehn gewesen.
LADY (steht rasch auf): Nun ist’s heraus! Sechzehen Jahre! Der erste Puls dieser Leidenschaft! – Auf dem unberührten Klavier der erste einweihende Silberton! – Nichts ist verführender – Setz dich, ich bin dir gut, liebes Mädchen – Und auch er liebt zum ersten Mal – Was Wunder, wenn sich die Strahlen eines Morgenrots finden? (Sehr freundlich und ihre Hand ergreifend.) Es bleibt dabei, ich will dein Glück machen, Liebe – Nichts, nichts als die süße früheverfliegende Träumerei. (Luisen auf die Wange klopfend.) Meine Sophie heiratet. Du sollst ihre Stelle haben – Sechzehen Jahr! Es kann nicht von Dauer sein.
LUISE (küsst ihr ehrerbietig die Hand): Ich danke für diese Gnade, Mylady, als wenn ich sie annehmen dürfte.
LADY (in Entrüstung zurückfallend): Man sehe die große Dame! – Sonst wissen sich Jungfern Ihrer Herkunft noch glücklich, wenn sie Herrschaften finden – Wo will denn Sie hinaus, meine Kostbare? Sind diese Finger zur Arbeit zu niedlich? Ist es Ihr bisschen Gesicht, worauf Sie so trotzig tut?
LUISE: Mein Gesicht, gnädige Frau, gehört mir so wenig als meine Herkunft.
LADY: Oder glaubt Sie vielleicht, das werde nimmer ein Ende nehmen? – Armes Geschöpf, wer dir das in den Kopf setzte – mag er sein, wer er will – er hat euch Beide zum Besten gehabt. Diese Wangen sind nicht im Feuer vergoldet. Was dir dein Spiegel für massiv und ewig verkauft, ist nur ein dünner angeflogener Goldschaum, der deinem Anbeter über kurz oder lang in der Hand bleiben muss – Was werden wir dann machen?
LUISE: Den Anbeter bedauern, Mylady, der einen Demant kaufte, weil er in Gold schien gefasst zu sein.
LADY (ohne darauf achten zu wollen): Ein Mädchen von Ihren Jahren hat immer zween Spiegel zugleich, den wahren und ihren Bewunderer – Die gefällige Geschmeidigkeit des letztern macht die rauhe Offenherzigkeit des erstern wieder gut. Der eine rügt eine häßliche Blatternarbe. Weit gefehlt, sagt der andere, es ist ein Grübchen der Grazien. Ihr guten Kinder glaubt jenem nur, was euch dieser gesagt hat, hüpft von einem zum andern, bis ihr zuletzt die Aussagen beider verwechselt – Warum begaffen Sie mich so?
LUISE: Verzeihen Sie, gnädige Frau – Ich war soeben im Begriff, diesen prächtig blitzenden Rubin zu beweinen, der es nicht wissen muss, dass seine Besitzerin so scharf wider Eitelkeit eifert.
LADY (errötend): Keinen Seitensprung, Lose! – Wenn es nicht die Promessen Ihrer Gestalt sind, was in der Welt könnte Sie abhalten, einen Stand zu erwählen, der der einzige ist, wo Sie Manieren und Welt lernen kann, der einzige ist, wo Sie sich Ihrer bürgerlichen Vorurteile entledigen kann?
LUISE: Auch meiner bürgerlichen Unschuld, Mylady?
LADY: Läppischer Einwurf! Der ausgelassenste Bube ist zu verzagt, uns etwas Beschimpfendes zuzumuten, wenn wir ihm nicht selbst ermunternd entgegengehn. Zeige Sie, wer Sie ist. Gebe Sie sich Ehre und Würde, und ich sage Ihrer Jugend für alle Versuchung gut.
LUISE: Erlauben Sie, gnädige Frau, dass ich mich unterstehe, daran zu zweifeln. Die Paläste gewisser Damen sind oft die Freistätten der frechsten Ergötzlichkeit. Wer sollte der Tochter des armen Geigers den Heldenmut zutrauen, den Heldenmut, mitten in die Pest sich zu werfen und doch dabei vor der Vergiftung zu schaudern? Wer sollte sich träumen lassen, dass Lady Milford ihrem Gewissen einen ewigen Skorpion halte, dass sie Geldsummen aufwende, um den Vorteil zu haben, jeden Augenblick schamrot zu werden? – Ich bin offenherzig, gnädige Frau – Würde Sie mein Anblick ergötzen, wenn Sie einem Vergnügen entgegen gingen? Würden Sie ihn ertragen, wenn Sie zurückkämen? – – O besser, besser! Sie lassen Himmelsstriche uns trennen – Sie lassen Meere zwischen uns fließen! – Sehen Sie sich wohl für, Mylady – Stunden der Nüchternheit, Augenblicke der Erschöpfung könnten sich melden – Schlangen der Reue könnten Ihren Busen anfallen, und nun – welche Folter für Sie, im Gesicht Ihres Dienstmädchens die heitre Ruhe zu lesen, womit die Unschuld ein reines Herz zu belohnen pflegt. (Sie tritt einen Schritt zurück.) Noch einmal, gnädige Frau. Ich bitte sehr um Vergebung.
LADY (in großer innrer Bewegung herumgehend): Unerträglich, dass sie mir das sagt! Unerträglicher, dass sie Recht hat! (Zu Luisen tretend und ihr starr in die Augen sehend.)Mädchen, du wirst mich nicht überlisten. So warm sprechen Meinungen nicht. Hinter diesen Maximen lauert ein feurigeres Interesse, das dir meine Dienste besonders abscheulich malt – das dein Gespräch so erhitzte – das ich (drohend) entdecken muss.
LUISE (gelassen und edel): Und wenn Sie es nun entdeckten? Und wenn Ihr verächtlicher Fersenstoß den beleidigten Wurm [68] aufweckte, dem sein Schöpfer gegen Misshandlung noch einen Stachel gab? – Ich fürchte Ihre Rache nicht, Lady – Die arme Sünderin auf dem berüchtigten Henkerstuhl lacht zum Weltuntergang. – Mein Elend ist so hoch gestiegen, dass selbst Aufrichtigkeit es nicht mehr vergrößern kann. (Nach einer Pause, sehr ernsthaft.) Sie wollen mich aus dem Staub meiner Herkunft reißen. Ich will sie nicht zergliedern, diese verdächtige Gnade. Ich will nur fragen, was Mylady bewegen konnte, mich für die Törin zu halten, die über ihre Herkunft errötet? Was sie berechtigen konnte, sich zur Schöpferin meines Glücks aufzuwerfen, ehe sie noch wusste, ob ich mein Glück auch von ihren Händen empfangen wollte? – Ich hatte meinen ewigen Anspruch auf die Freuden der Welt zerrissen. Ich hatte dem Glück seine Übereilung vergeben – Warum mahnen Sie mich aufs Neu an dieselbe? – Wenn selbst die Gottheit dem Blick der Erschaffenen ihre Strahlen verbirgt, dass nicht ihr oberster Seraph vor seiner Verfinsterung zurückschaure – warum wollen Menschen so grausam-barmherzig sein? – Wie kommt es, Mylady, dass Ihr gepriesenes Glück das Elend so gern um Neid und Bewunderung anbettelt? – Hat Ihre Wonne die Verzweiflung so nötig zur Folie? – O lieber! so gönnen Sie mir doch eine Blindheit, die mich allein noch mit meinem barbarischen Los versöhnt – Fühlt sich doch das Insekt in einem Tropfen Wassers so selig, als wär es ein Himmelreich, so froh und so selig, bis man ihm von einem Weltmeer erzählt, worin Flotten und Walfische spielen! – – Aber glücklich wollen Sie mich ja wissen? (Nach einer Pause plötzlich zur Lady hintretend und mit Überraschung sie fragend:) Sind Sie glücklich, Mylady? (Diese verlässt sie schnell und betroffen, Luise folgt ihr und hält ihr die Hand vor den Busen.) Hat dieses Herz auch die lachende Gestalt Ihres Standes? Und wenn wir jetzt Brust gegen Brust und Schicksal gegen Schicksal auswechseln sollten – und wenn ich in kindlicher Unschuld – und wenn ich auf Ihr Gewissen – und wenn ich als meine Mutter Sie fragte – würden Sie mir wohl zu dem Tausche raten?
LADY (heftig bewegt in den Sofa sich werfend): Unerhört! Unbegreiflich! Nein, Mädchen! Nein! Diese Größe hast du nicht auf die Welt gebracht, und für einen Vater ist sie zu jugendlich. Lüge mir nicht. Ich höre einen andern Lehrer –
LUISE (fein und scharf ihr in die Augen sehend): Es sollte mich doch wundern, Mylady, wenn Sie jetzt erst auf diesen Lehrer fielen und doch vorhin schon eine Kondition für mich wussten. [69]
LADY (springt auf): Es ist nicht auszuhalten! – Ja denn! weil ich dir doch nicht entwischen kann. Ich kenn ihn – weiß alles – weiß mehr, als ich wissen mag. (Plötzlich hält sie inne, darauf mit einer Heftigkeit, die nach und nach bis beinahe zum Toben steigt.) Aber wag es, Unglückliche – wag es, ihn jetzt noch zu lieben oder von ihm geliebt zu werden – Was sage ich? – Wag es, an ihn zu denken oder einer von seinen Gedanken zu sein – Ich bin mächtig, Unglückliche – fürchterlich – so wahr Gott lebt! Du bist verloren!
LUISE (standhaft): Ohne Rettung, Mylady, sobald Sie ihn zwingen, dass er Sie lieben muss.
LADY: Ich verstehe dich – aber er soll mich nicht lieben. Ich will über diese schimpfliche Leidenschaft siegen, mein Herz unterdrücken und das deinige zermalmen – Felsen und Abgründe will ich zwischen euch werfen; eine Furie will ich mitten durch euren Himmel gehn; mein Name soll eure Küsse wie ein Gespenst Verbrecher auseinander scheuchen; deine junge blühende Gestalt unter seiner Umarmung welk wie eine Mumie zusammenfallen – Ich kann nicht mit ihm glücklich werden – aber du sollst es auch nicht werden – Wisse das, Elende! Seligkeit zerstören ist auch Seligkeit.
LUISE: Eine Seligkeit, um die man Sie schon gebracht hat, Mylady. Lästern Sie Ihr eigenes Herz nicht. Sie sind nicht fähig, das auszuüben, was Sie so drohend auf mich herabschwören. Sie sind nicht fähig, ein Geschöpf zu quälen, das Ihnen nichts zu Leide getan, als dass es empfunden hat wie Sie – Aber ich liebe Sie um dieser Wallung willen, Mylady.
LADY (die sich jetzt gefasst hat): Wo bin ich? Wo war ich? Was hab ich merken lassen? Wen – hab ich’s merken lassen? – O Luise, edle, große, göttliche Seele! Vergib’s einer Rasenden – Ich will dir kein Haar kränken, mein Kind. Wünsche! Fordre! Ich will dich auf den Händen tragen, deine Freundin, deine Schwester will ich sein – Du bist arm – Sieh!(Einige Brillanten herunternehmend.) Ich will diesen Schmuck verkaufen – meine Garderobe, Pferd und Wagen verkaufen – Dein sei alles, aber entsag ihm!
LUISE (tritt zurück voll Befremdung): Spottet sie einer Verzweifelnden, oder sollte sie an der barbarischen Tat im Ernst keinen Anteil gehabt haben? – Ha! So könnt ich mir ja noch den Schein einer Heldin geben und meine Ohnmacht zu einem Verdienst aufputzen. (Sie steht eine Weile gedankenvoll, dann tritt sie näher zur Lady, fasst ihre Hand und sieht sie starr und bedeutend an.) Nehmen Sie ihn denn hin, Mylady! – Freiwillig tret [70] ich Ihnen ab den Mann, den man mit Haken der Hölle von meinem blutenden Herzen riss. – – Vielleicht wissen Sie es selbst nicht, Mylady, aber Sie haben den Himmel zweier Liebenden geschleift, von einander gezerrt zwei Herzen, die Gott aneinander band; zerschmettert ein Geschöpf, das ihm nahe ging wie Sie, das er zur Freude schuf wie Sie, das ihn gepriesen hat wie Sie, und ihn nun nimmermehr preisen wird – Lady! ins Ohr des Allwissenden schreit auch der letzte Krampf des zertretenen Wurms – Es wird ihm nicht gleichgültig sein, wenn man Seelen in seinen Händen mordet! Jetzt ist er Ihnen! Jetzt, Mylady, nehmen Sie ihn hin! Rennen Sie in seine Arme! Reißen Sie ihn zum Altar – Nur vergessen Sie nicht, dass zwischen Ihren Brautkuss das Gespenst einer Selbstmörderin stürzen wird – Gott wird barmherzig sein – Ich kann mir nicht anders helfen! (Sie stürzt hinaus.)

Montag, 15. Dezember 2014

4. Akt achte Szene

Personen

  • Lady

Inhalt 
In dem Monolog reflektiert Lady Milford die vorangegangenen Situationen. Sie ist zornig, dass Ferdinand ihr durch eine Bürgerliche abgetreten wurde. Das "die Unglückliche" freiwillig auf Ferdinand verzichtet hat überraschte die Lady und erzürnte sie zugleich.  Sie entscheidet sich dem Fürsten den Rücken zu kehren.


Interpretation


Diese Szene stellt einen Wendepunkt in Lady Milfords Dasein da, da sie entscheidet dem Fürsten den Rücken zu zukehren und sich statt dessen auf ihre Liebe zu besinnen. 
#Denoch sind die Standesunterschiede zwischen ihr und Luise nicht aufgehoben. Sie will sich aber moralisch, der moralisch überlegenen Luise angleichen und ein moralisch besseres Lebenführen. Dies tut sie, indem sie dem dekadenten Adel entsagt. Wie man sieht ist das ein Gesellschaftsbild, welches typisch für den Sturm und Drang ist. 

ACHTE SZENE

Lady allein, steht erschüttert und außer sich, den starren Blick nach der Türe gerichtet, durch welche die Millerin weggeeilt; endlich erwacht sie aus ihrer Betäubung.
LADY: Wie war das? Wie geschah mir? Was sprach die Unglückliche? – Noch, o Himmel! noch zerreißen sie mein Ohr, die fürchterlichen, mich verdammenden Worte: Nehmen Sie ihn hin! – Wen, Unglückselige? Das Geschenk deines Sterberöchelns – das schauervolle Vermächtnis deiner Verzweiflung! Gott! Gott! Bin ich so tief gesunken – so plötzlich von allen Thronen meines Stolzes herabgestürzt, dass ich heißhungrig erwarte, was einer Bettlerin Großmut aus ihrem letzten Todeskampfe mir zuwerfen wird? – Nehmen Sie ihn hin, und das spricht sie mit einem Tone, begleitet sie mit einem Blicke – – Ha! Emilie! bist du darum über die Grenzen deines Geschlechts weggeschritten? Musstest du darum um den prächtigen Namen des großen britischen Weibes buhlen, dass das prahlende Gebäude deiner Ehre neben der höheren Tugend einer verwahrlosten Bürgerdirne versinken soll? – Nein, stolze Unglückliche! Nein! – Beschämen läßt sich Emilie Milford – doch beschimpfen nie! Auch ich habe Kraft, zu entsagen. (Mit majestätischen Schritten auf und nieder.)
Verkrieche dich jetzt, weiches, leidendes Weib – Fahret hin,  süße, goldene Bilder der Liebe – Großmut allein sei jetzt meine Führerin! – – Dieses liebende Paar ist verloren, oder Milford muss ihren Anspruch vertilgen und im Herzen des Fürsten erlöschen! (Nach einer Pause, lebhaft.) Es ist geschehen! – Gehoben das furchtbare Hindernis – zerbrochen alle Bande zwischen mir und dem Herzog, gerissen aus meinem Busen diese wütende Liebe! – – In deine Arme werf ich mich, Tugend! – Nimm sie auf, deine reuige Tochter Emilie! – Ha! wie mir so wohl ist! Wie ich auf einmal so leicht! so gehoben mich fühle! – Groß, wie eine fallende Sonne, will ich heut vom Gipfel meiner Hoheit heruntersinken, meine Herrlichkeit sterbe mit meiner Liebe, und nichts als mein Herz begleite mich in diese stolze Verweisung. (Entschlossen zum Schreibpult gehend.) Jetzt gleich muss es geschehen – jetzt auf der Stelle, ehe die Reize des lieben Jünglings den blutigen Kampf meines Herzens erneuern. (Sie setzt sich nieder und fängt an zu schreiben.)

Sonntag, 14. Dezember 2014

4. Akt neunte Szene

Personen

  • Luise

Inhalt 
Lady Milford verfasst einen Brief an den Herzog als der Hoffmarschall von Kalb hinzu kommt. Dieser zeigt sich erstaunt. Er soll den Brief zustellen. Sie befürchtet die Rache vom Herzog und bittet ihn um sein Erbarmen. 

Interpretation

Die Lady zieht einen Schlusstrich unter ihr Leben am Hofe. Sie ist sich der Macht des Liebhabers bewusst und fürchtet dessen Zorn. Sie zeigt sehr deutlich am Ende des Brief, dass sie nun für jeden Taler arbeiten gehen muss. Dies nimmt sie bewusst in Kauf und gewinnt so eine moralisch bessere Position als zuvor. 

NEUNTE SZENE


Lady. Ein Kammerdiener. Sophie, hernach der Hofmarschall, zuletzt Bediente.
KAMMERDIENER: Hofmarschall von Kalb stehen im Vorzimmer mit einem Auftrag vom Herzog.
LADY (in der Hitze des Schreibens): Auftaumeln wird sie, die fürstliche Drahtpuppe! Freilich! Der Einfall ist auch drollig genug, so eine durchlauchtigte Hirnschale auseinander zu treiben! – Seine Hofschranzen werden wirbeln – Das ganze Land wird in Gärung kommen.
KAMMERDIENER und SOPHIE: Der Hofmarschall, Mylady –
LADY (dreht sich um): Wer? Was? – Desto besser! Diese Sorte von Geschöpfen ist zum Sacktragen auf der Welt. Er soll mir willkommen sein.
KAMMERDIENER (geht ab).
SOPHIE (ängstlich näher kommend): Wenn ich nicht fürchten müsste, Mylady, es wäre Vermessenheit (Lady schreibt hitzig fort.) Die Millerin stürzte außer sich durch den Vorsaal – Sie glühen – Sie sprechen mit sich selbst (Lady schreibt immer fort.) Ich erschrecke – Was muss geschehen sein?
HOFMARSCHALL (tritt herein, macht dem Rücken der Lady tausend Verbeugungen; da sie ihn nicht bemerkt, kommt er näher, stellt sich hinter ihren Sessel, sucht den Zipfel ihres [72] Kleides wegzukriegen und drückt einen Kuss darauf, mit furchtsamem Lispeln): Serenissimus –
LADY (indem sie Sand streut und das Geschriebene durchfliegt): Er wird mir schwarzen Undank zur Last legen – Ich war eine Verlassene. Er hat mich aus dem Elend gezogen – Aus dem Elend? – Abscheulicher Tausch! – Zerreiße deine Rechnung, Verführer! Meine ewige Schamröte bezahlt sie mit Wucher.
HOFMARSCHALL (nachdem er die Lady vergeblich von allen Seiten umgangen hat): Mylady scheinen etwas distrait zu sein – Ich werde mir wohl selbst die Kühnheit erlauben müssen. (Sehr laut.) Serenissimus schicken mich, Mylady zu fragen, ob diesen Abend Vauxhall sein werde oder teutsche Komödie?
LADY (lachend aufstehend): Eines von beiden, mein Engel – Unterdessen bringen Sie Ihrem Herzog diese Karte zum Dessert! (Gegen Sophien.). Du, Sophie, befiehlst, dass man anspannen soll, und rufst meine ganze Garderobe in diesem Saal zusammen –
SOPHIE (geht ab voll Bestürzung): O Himmel! Was ahndet mir? Was wird das noch werden?
HOFMARSCHALL: Sie sind echauffiert, meine Gnädige?
LADY: Um so weniger wird hier gelogen sein – Hurra, Herr Hofmarschall! Es wird eine Stelle vakant. Gut Wetter für Kuppler. (Da der Marschall einen zweifelhaften Blick auf den Zettel wirft.) Lesen Sie, lesen Sie!– Es ist mein Wille, dass der Inhalt nicht unter vier Augen bleibe.
HOFMARSCHALL (liest, unterdessen sammeln sich die Bedienten der Lady im Hintergrund):
»Gnädigster Herr,
Ein Vertrag, den Sie so leichtsinnig brachen, kann mich nicht mehr binden. Die Glückseligkeit Ihres Landes war die Bedingung meiner Liebe. Drei Jahre währte der Betrug. Die Binde fällt mir von den Augen; ich verabscheue Gunstbezeugungen, die von den Tränen der Untertanen triefen. – Schenken Sie die Liebe, die ich Ihnen nicht mehr erwidern kann, Ihrem weinenden Lande und lernen von einer britischen Fürstin Erbarmen gegen Ihr teutsches Volk. In einer Stunde bin ich über der Grenze.
Johanna Norfolk.«
ALLE BEDIENTE (murmeln bestürzt durcheinander). Über der Grenze?
HOFMARSCHALL (legt die Karte erschrocken auf den Tisch): Behüte der Himmel, meine Beste und Gnädige! Den Überbringer müsste der Hals eben so jücken als der Schreiberin. [73]
LADY: Das ist deine Sorge, du Goldmann – Leider weiß ich es, dass du und deinesgleichen am Nachbeten dessen, was andre getan haben, erwürgen! – Mein Rat wäre, man backte den Zettel in eine Wildbretpastete, so fänden ihn Serenissimus auf dem Teller –
HOFMARSCHALL: Ciel! Diese Vermessenheit! – So erwägen Sie doch, so bedenken Sie doch, wie sehr Sie sich in Disgrace setzen, Lady!
LADY (wendet sich zu der versammelten Dienerschaft und spricht das Folgende mit der innigsten Rührung): Ihr steht bestürzt, guten Leute, erwartet angstvoll, wie sich das Rätsel entwickeln wird? – Kommt näher, meine Lieben – Ihr dientet mir redlich und warm, sahet mir öfter in die Augen als ich die Börse, euer Gehorsam war eure Leidenschaft, euer Stolz – meine Gnade! – – Dass das Andenken eurer Treue zugleich das Gedächtnis meiner Erniedrigung sein muss! Trauriges Schicksal, dass meine schwärzesten Tage eure glücklichen waren! (Mit Tränen in den Augen.) Ich entlasse euch, meine Kinder – – Lady Milford ist nicht mehr, und Johanna von Norfolk zu arm, ihre Schuld abzutragen – Mein Schatzmeister stürze meine Schatulle unter euch – Dieser Palast bleibt dem Herzog – Der Ärmste von euch wird reicher von hinnen gehen als seine Gebieterin. (Sie reicht ihre Hände hin, die alle nach einander mit Leidenschaft küssen.) Ich verstehe euch, meine Guten – Lebt wohl! Lebt ewig wohl! (Fasst sich aus ihrer Beklemmung.) Ich höre den Wagen vorfahren. (Sie reißt sich los, will hinaus, der Hofmarschall verrennt ihr den Weg.) Mann des Erbarmens, stehst du noch immer da?
HOFMARSCHALL (der diese ganze Zeit über mit einem Geistesbankerott auf den Zettel sah): Und dieses Billet soll ich Seiner Hochfürstlichen Durchlaucht zu höchsteigenen Händen geben?
LADY: Mann des Erbarmens! zu höchsteigenen Händen, und sollst melden zu höchsteigenen Ohren, weil ich nicht barfuß nach Loretto könne, so werde ich um den Taglohn arbeiten, mich zu reinigen von dem Schimpf, ihn beherrscht zu haben.
(Sie eilt ab. Alle Übrigen gehen sehr bewegt auseinander.)

Mittwoch, 10. Dezember 2014

5. Akt erste Szene Kabale und Liebe

Personen

  • Miller
  • Luise

Inhalt 
Luise spricht mit ihrem Vater. Sie erklärt, dass sie eine starke Frau sei und einen harten Kampf hinter sich gebracht hätte. Sie hat einen Brief an Ferdinand geschrieben, in welchem sie von einem dritten Ort spricht an dem Ferdinands Vater ihrer Liebe nicht im Weg stehen könne. Ihr Vater Herr Miller versteht zunächst nicht welcher Ort gemeint ist. Luise hat die Hoffnung, dass Ferdinand und sie im Tod vereint sind. 
Herr Miller ist schockiert und weißt Luise darauf hin, dass Selbstmord das Scheuslichste sein, da hier Sünde und Tod zusammen kämen. Herr Miller kann den Suizid verhindern, indem er ihr einen Dolch anbietet, mit welchem sie die Tat ausführen könnte.



Interpretation

In dieser Szene wird sehr deutlich, dass es sich bei Luises Liebe um ein sehr starkes und alles dominierendes Gefühl handelt. Sie ist bereit für die Liebe auf das wertvollste Geschenk zu verzichten, auf ihr Leben. Sie fordert Ferdinand im Brief auf es ihr gleich zu tun und ist der Ansicht, dass er schwach wäre, wenn er ihrem Vorhaben nicht nachkommt.
Die Art und Weise wie Luise von ihren Gefühlen überwältigt wird weißt das Stück als ein und Stück aus der Strömung des Sturm und Drang aus und zeigt, dass das Gefühl über Allem steht und alles dominiert.

Obwohl Luise eine Tat plant, welche in der Bibel ausdrücklich verboten ist, spielt in ihrer Gedankenwelt Gott eine große Rolle. Sie spricht immer wieder von Gott und an Gott. Auch Herr Miller hat immer wieder die moralischen Regeln der Kirche, welche er anführt. Luise ist von der Idee beseelt, dass es ein Jenseits gibt. Sie glaubt, dass sie hier mit Ferdinand wieder vereint ist und das sie hier ungestört ihre Liebe genießen und leben könnten.


ERSTE SZENE

Luise sitzt stumm und ohne sich zu rühren in dem finstersten Winkel des Zimmers, den Kopf auf den Arm gesunken. Nach einer großen und tiefen Pause kommt Miller mit einer Handlaterne, leuchtet ängstlich im Zimmer herum, ohne Luisen zu bemerken, dann legt er den Hut auf den Tisch und setzt die Laterne nieder.
MILLER: Hier ist sie auch nicht. Hier wieder nicht – Durch alle Gassen bin ich gezogen, bei allen Bekannten bin ich gewesen, auf allen Toren hab ich gefragt – Mein Kind hat man nirgends gesehen. (Nach einigem Stillschweigen.) Geduld, armer, unglücklicher Vater. Warte ab, bis es Morgen wird. Vielleicht kommt deine Einzige dann ans Ufer geschwommen – – Gott! Gott! Wenn ich mein Herz zu abgöttisch an diese Tochter hing? – Die Strafe ist hart. Himmlischer Vater, hart! Ich will nicht murren, himmlischer Vater, aber die Strafe ist hart. (Er wirft sich gramvoll in einen Stuhl.)
LUISE (spricht aus dem Winkel): Du tust recht, armer alter Mann! Lerne bei Zeit noch verlieren.
MILLER (springt auf): Bist du da, mein Kind? Bist du? – Aber warum denn so einsam und ohne Licht?
LUISE: Ich bin darum doch nicht einsam. Wenn’s so recht schwarz wird um mich herum, hab ich meine besten Besuche.
MILLER: Gott bewahre dich! Nur der Gewissenswurm schwärmt mit der Eule. Sünden und böse Geister scheuen das Licht.
LUISE: Auch die Ewigkeit, Vater, die mit der Seele ohne Gehilfen redet.
MILLER: Kind! Kind! Was für Reden sind das?
LUISE (steht auf und kommt vorwärts): Ich hab einen harten Kampf gekämpft. Er weiß es, Vater. Gott gab mir Kraft. Der Kampf ist entschieden. Vater! man pflegt unser Geschlecht zart und zerbrechlich zu nennen. Glaub Er das nicht mehr. Vor einer Spinne schütteln wir uns, aber das schwarze Ungeheuer Verwesung drücken wir im Spaß in die Arme. Dieses zur Nachricht, Vater. Seine Luise ist lustig.
MILLER: Höre, Tochter! ich wollte, du heultest. Du gefielst mir so besser. [75]
LUISE: Wie ich ihn überlisten will, Vater! Wie ich den Tyrannen betrügen will! – Die Liebe ist schlauer als die Bosheit und kühner – das hat er nicht gewusst, der Mann mit dem traurigen Stern – Oh! sie sind pfiffig, so lang sie es nur mit dem Kopf zu tun haben, aber sobald sie mit dem Herzen anbinden, werden die Böswichter dumm – – Mit einem Eid gedachte er seinen Betrug zu versiegeln? Eide, Vater, binden wohl die Lebendigen, im Tode schmilzt auch der Sakramente eisernes Band. Ferdinand wird seine Luise kennen – Will Er mir dies Billet besorgen, Vater? Will Er so gut sein?
MILLER: An wen, meine Tochter?
LUISE: Seltsame Frage! Die Unendlichkeit und mein Herz haben miteinander nicht Raum genug für einen einzigen Gedanken an ihn – Wenn hätt ich denn wohl an sonst jemand schreiben sollen?
MILLER: (unruhig): Höre, Luise! Ich erbreche den Brief.
LUISE: Wie Er will, Vater – aber Er wird nicht klug daraus werden. Die Buchstaben liegen wie kalte Leichname da und leben nur dem Auge der Liebe.
MILLER: (liest): »Du bist verraten, Ferdinand – Ein Bubenstück ohne Beispiel zerriss den Bund unsrer Herzen, aber ein schröcklicher Schwur hat meine Zunge gebunden, und dein Vater hat überall seine Horcher gestellt. Doch wenn du Mut hast, Geliebter – ich weiß einen dritten Ort, wo kein Eidschwur mehr bindet und wohin ihm kein Horcher geht.« (Miller hält inne und sieht ihr ernsthaft ins Gesicht.)
LUISE: Warum sieht Er mich so an? Les Er doch ganz aus, Vater.
MILLER: »Aber Mut genug musst du haben, eine finstre Straße zu wandeln, wo dir nichts leuchtet als deine Luise und Gott – Ganz zur Liebe musst du kommen, daheim lassen all deine Hoffnungen und all deine brausenden Wünsche; nichts kannst du brauchen als dein Herz. Willst du – so brich auf, wenn die Glocke den zwölften Streich tut auf dem Karmeliterturm. Bangt dir – so durchstreiche das Wort stark vor deinem Geschlechte, denn ein Mädchen hat dich zuschanden gemacht.« (Miller legt das Billet nieder, schaut lange mit einem schmerzlichen starren Blick vor sich hinaus, endlich kehrt er sich gegen sie und sagt mit leiser, gebrochener Stimme.) Und dieser dritte Ort, meine Tochter?
LUISE: Er kennt ihn nicht, Er kennt ihn wirklich nicht, Vater? – Sonderbar! Der Ort ist zum Finden gemalt. Ferdinand wird ihn finden.
MILLER: Hum! rede deutlicher. 
LUISE: Ich weiß soeben kein liebliches Wort dafür – Er muss nicht erschrecken, Vater, wenn ich Ihm ein hässliches nenne. Dieser Ort – O warum hat die Liebe nicht Namen erfunden! Den schönsten hätte sie diesem gegeben. Der dritte Ort, guter Vater – aber Er muss mich ausreden lassen – der dritte Ort ist das Grab.
MILLER (zu einem Sessel hinwankend): O mein Gott!
LUISE (geht auf ihn zu und hält ihn): Nicht doch, mein Vater! Das sind nur Schauer, die sich um das Wort herumlagern – Weg mit diesem, und es liegt ein Brautbette da, worüber der Morgen seinen goldenen Teppich breitet und die Frühlinge ihre bunten Girlanden streun. Nur ein heulender Sünder konnte den Tod ein Gerippe schelten; es ist ein holder niedlicher Knabe, blühend, wie sie den Liebesgott malen, aber so tückisch nicht – ein stiller dienstbarer Genius, der der erschöpften Pilgerin Seele den Arm bietet über den Graben der Zeit, das Feenschloss der ewigen Herrlichkeit aufschließt, freundlich nickt und verschwindet.
MILLER: Was hast du vor, meine Tochter? – Du willst eigenmächtig Hand an dich legen.
LUISE: Nenn Er es nicht so, mein Vater. Eine Gesellschaft räumen, wo ich nicht wohlgelitten bin – An einen Ort vorausspringen, den ich nicht länger missen kann – Ist denn das Sünde?
MILLER: Selbstmord ist die abscheulichste, mein Kind – die einzige, die man nicht mehr bereuen kann, weil Tod und Missetat zusammenfallen.
LUISE (bleibt erstarrt stehn): Entsetzlich! – Aber so rasch wird es doch nicht gehn. Ich will in den Fluss springen, Vater, und im Hinuntersinken Gott den Allmächtigen um Erbarmen bitten.
MILLER: Das heißt, du willst den Diebstahl bereuen, sobald du das Gestohlene in Sicherheit weißt – Tochter! Tochter! Gib Acht, dass du Gottes nicht spottest, wenn du seiner am meisten vonnöten hast. Oh! es ist weit! weit mit dir gekommen! – Du hast dein Gebet aufgegeben, und der Barmherzige zog seine Hand von dir.
LUISE: Ist lieben denn Frevel, mein Vater?
MILLER: Wenn du Gott liebst, wirst du nie bis zum Frevel lieben – – Du hast mich tief gebeugt, meine Einzige! tief, tief, vielleicht zur Grube gebeugt. – Doch! ich will dir dein Herz nicht noch schwerer machen – Tochter! ich sprach vorhin etwas. Ich glaubte allein zu sein. Du hast mich behorcht, und warum sollt ich’s noch länger geheim halten? Du warst mein Abgott. Höre, [77] Luise, wenn du noch Platz für das Gefühl eines Vaters hast – Du warst mein Alles. Jetzt vertust du nichts mehr von deinem Eigentum. Auch ich hab alles zu verlieren. Du siehst, mein Haar fängt an grau zu werden. Die Zeit meldet sich allgemach bei mir, wo uns Vätern die Kapitale zustatten kommen, die wir im Herzen unsrer Kinder anlegten – Wirst du mich darum betrügen, Luise? Wirst du dich mit dem Hab und Gut deines Vaters auf und davon machen?
LUISE (küsst seine Hand mit der heftigsten Rührung): Nein, mein Vater. Ich gehe als Seine große Schuldnerin aus der Welt und werde in der Ewigkeit mit Wucher bezahlen.
MILLER: Gib Acht, ob du dich da nicht verrechnest, mein Kind? (Sehr ernst und feierlich.) Werden wir uns dort wohl noch finden? – – Sieh! wie du blass wirst! – Meine Luise begreift es von selbst, dass ich sie in jener Welt nicht mehr wohl einholen kann, weil ich nicht so früh dahin eile wie sie – (Luise stürzt ihm in den Arm, von Schauern ergriffen – Er drückt sie mit Feuer an seine Brust und fährt fort mit beschwörender Stimme) O Tochter! Tochter! Gefallene, vielleicht schon verlorene Tochter! Beherzige das ernsthafte Vaterwort! Ich kann nicht über dich wachen. Ich kann dir die Messer nehmen, du kannst dich mit einer Stricknadel töten. Für Gift kann ich dich bewahren, du kannst dich mit einer Schnur Perlen erwürgen. – Luise – Luise – nur warnen kann ich dich noch – Willst du es darauf ankommen lassen, dass dein treuloses Gaukelbild auf der schröcklichen Brücke zwischen Zeit und Ewigkeit von dir weiche? Willst du dich vor des Allwissenden Thron mit der Lüge wagen: Deinetwegen, Schöpfer, bin ich da! – wenn deine strafbaren Augen ihre sterbliche Puppe suchen? – Und wenn dieser zerbrechliche Gott deines Gehirns, jetzt Wurm wie du, zu den Füßen deines Richters sich windet, deine gottlose Zuversicht in diesem schwankenden Augenblick Lügen straft und deine betrogenen Hoffnungen an die ewige Erbarmung verweist, die der Elende für sich selbst kaum erflehen kann – Wie dann?(Nachdrücklicher, lauter.) Wie dann, Unglückselige? (Er hält sie fester, blickt sie eine Weile starr und durchdringend an, dann verlässt er sie schnell.) Jetzt weiß ich nichts mehr –(mit aufgehobener Rechte) stehe dir, Gott Richter! für diese Seele nicht mehr. Tu, was du willst. Bring deinem schlanken Jüngling ein Opfer, dass deine Teufel jauchzen und deine guten Engel zurücktreten – Zieh hin! Lade alle deine Sünden auf, lade auch diese, die letzte, die entsetzlichste auf, und wenn die Last noch zu leicht ist, so mache mein Fluch das Gewicht vollkommen – Hier ist ein Messer [78] – durchstich dein Herz und (indem er laut weinend fortstürzen will) das Vaterherz!
LUISE (springt auf und eilt ihm nach): Halt! Halt! O mein Vater! – Dass die Zärtlichkeit noch barbarischer zwingt als Tyrannenwut! – Was soll ich? Ich kann nicht! Was muss ich tun?
MILLER: Wenn die Küsse deines Majors heißer brennen als die Tränen deines Vaters – stirb!
LUISE (nach einem qualvollen Kampf mit einiger Festigkeit): Vater! Hier ist meine Hand! Ich will – Gott! Gott! Was tu ich? was will ich? – Vater, ich schwöre – Wehe mir, wehe! Verbrecherin, wohin ich mich neige! – Vater, es sei! – Ferdinand – Gott sieht herab! – So zernicht ich sein letztes Gedächtnis. (Sie zerreißt den Brief.)
MILLER (stürzt ihr freudetrunken an den Hals): Das ist meine Tochter! – Blick auf! Um einen Liebhaber bist du leichter, dafür hast du einen glücklichen Vater gemacht. (Unter Lachen und Weinen sie umarmend.) Kind! Kind, das ich den Tag meines Lebens nicht wert war! Gott weiß, wie ich schlechter Mann zu diesem Engel gekommen bin! – Mein Luise, mein Himmelreich! – O Gott! ich verstehe ja wenig vom Lieben, aber dass es eine Qual sein muss, aufzuhören – so was begreif ich noch.
LUISE: Doch hinweg aus dieser Gegend, mein Vater – Weg von der Stadt, wo meine Gespielinnen meiner spotten und mein guter Name dahin ist auf immerdar – Weg, weg, weit weg von dem Ort, wo mich so viele Spuren der verlorenen Seligkeit anreden. Weg, wenn es möglich ist –
MILLER. Wohin du nur willst, meine Tochter. Das Brod unsers Herrgotts wächst überall, und Ohren wird er auch meiner Geige bescheren. Ja! lass auch alles dahingehn – Ich setze die Geschichte deines Grams auf die Laute, singe dann ein Lied von der Tochter, die, ihren Vater zu ehren, ihr Herz zerriss – wir betteln mit der Ballade von Türe zu Türe, und das Almosen wird köstlich schmecken von den Händen der Weinenden –